Erbrecht in der Schweiz: Ein praktischer Leitfaden

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In der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist die Erbschaft gesetzlich geregelt, gestützt auf das Zivilgesetzbuch: Es bestimmt, wer Ihre Erben sind und wie hoch ihr Anteil am Nachlass sein wird. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Aufteilung (zumindest teilweise) durch ein Testament oder einen Erbvertrag zu ändern: eine Freiheit, die durch den vorbehaltenen Teil des Nachlasses begrenzt ist. Was sieht das Schweizer Erbrecht vor? Welche Bestimmungen gelten für Immobilien, die Teil des Nachlasses sind? FGP Swiss & Alps erklärt alles.

Schweizer Erbrecht: Was besagt das Standardgesetz?

Das schweizerische Erbrecht regelt, wer im Falle des Todes des Erblassers erbt und wie der Nachlass unter den Erben aufgeteilt wird. In Ermangelung von Verfügungen von Todes wegen (Testamente oder Erbverträge) bestimmt das Zivilgesetzbuch (ZGB) die Aufteilung der Erbschaft und des ehelichen Vermögens, indem es festlegt, wer die gesetzlichen Erben sind und welche Anteile ihnen zustehen, und zwar nach einer Reihenfolge, die sich nach dem Verwandtschaftsgrad richtet – der so genannten “Verwandtschaftsordnung”. Diese Ordnung lautet wie folgt:

– Der überlebende Ehegatte, der als vorrangig eingestuft wird (Ehegatte oder eingetragener Partner).

– Nachkommen (Kinder, Enkel oder Urenkel).

– Andernfalls: Eltern oder deren Nachkommen, Brüder und Schwestern oder deren Nachkommen, dann Großeltern oder deren Nachkommen.

– Gibt es keinen Ehegatten oder keine Eltern: Der gesamte Nachlass fällt an den Staat.

Nach dem schweizerischen Erbrecht, das standardmäßig angewandt wird, wird beispielsweise das Vermögen eines alleinerziehenden Elternteils mit zwei Kindern zu gleichen Teilen auf die beiden Kinder aufgeteilt. Hinterlässt der Erblasser einen Ehepartner und zwei Kinder, wird der Nachlass in zwei Teile aufgeteilt: eine Hälfte für den Ehepartner, die andere für die Kinder. War der Erblasser verheiratet, gilt das Recht des Güterstandes: Nur der verbleibende Anteil bildet den Nachlass. Aber Achtung: Lebensgefährten sind keine gesetzlichen Erben und müssen daher in einem Testament oder einem Erbvertrag bedacht werden.

Wenn keine Kinder vorhanden sind, wird der Nachlass wie folgt aufgeteilt: 75 % für den Partner und 25 % für die nächsten Verwandten und deren Nachkommen.

Kann ein Erblasser frei entscheiden, was mit seinem Nachlass geschehen soll?

Das Zivilgesetzbuch regelt die Vererbung von Amts wegen, d.h. wenn der Erblasser keine Bestimmungen getroffen hat. Es ist jedoch zu bedenken, dass das schweizerische Erbrecht von jedem Einzelnen durch ein Rechtsdokument frei geregelt werden kann. In der Praxis ist es möglich, in einem Testament oder Erbvertrag eine andere Verteilung des Erbes vorzusehen. So ist es möglich, einen oder mehrere gesetzliche Erben auf Kosten der anderen zu begünstigen oder andere Erben einzubeziehen, die vom Gesetz nicht berücksichtigt werden – wie zum Beispiel den Partner oder die Partnerin.

Reserve für Vererbung

Dies ist jedoch nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen möglich: Bestimmte nahe Verwandte haben Anspruch auf einen Mindestanteil am Nachlass, den so genannten “Pflichtteil”, der ihnen nicht entzogen werden kann, außer im Falle eines Verbrechens gegen den Erblasser oder seine nahen Angehörigen. Nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch wird der Betrag der Erbschaftsreserve wie folgt aufgeteilt:

– 50 % des gesetzlichen Anteils am Nachlass für Nachkommen (dieser Anteil war vor der Revision des Erbrechts in der Schweiz höher).

– 50 % des gesetzlichen Erbteils bei Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern.

In jedem Fall haben diese Erben Anspruch auf die Hälfte der Erbschaft, d. h. auf den gesetzlich vorgesehenen Anteil am vorbehaltenen Teil des Nachlasses. Dieser beläuft sich auf höchstens die Hälfte des gesamten Nachlasses. Der Rest ist der verfügbare Teil oder “nicht vorbehaltene Teil”, über den der Erblasser je nach seiner familiären Situation am Todestag frei verfügen kann.

Es ist zu beachten, dass das Recht der Eltern auf den vorbehaltenen Teil eines Nachlasses durch die Revision des Erbrechts, die ab dem 1. Januar 2023 gilt, abgeschafft wurde. Die Eltern erben nur, wenn der Erblasser keine Nachkommen hat und der verfügbare Teil nicht anderweitig geregelt ist. Brüder und Schwestern sind nicht berechtigt, aus eigenem Recht zu erben.

Der verfügbare Anteil

Der verfügbare Teil ist also der Teil des Nachlasses, den der Erblasser nach eigenem Gutdünken verteilen kann. Nehmen wir das oben erwähnte Beispiel eines Elternteils (alleinstehend oder mit Ehepartner) mit zwei Kindern. Wenn diese Person beschließt, einen weiteren Erben in ihr Testament aufzunehmen, werden die Anteile wie folgt aufgeteilt (seit der Revision des Schweizer Erbrechts):

– 50 % werden zu gleichen Teilen unter den Erben mit Vorschlagsrecht aufgeteilt, d. h. je 25 %.

– 50 % des verfügbaren Anteils sind frei zu verteilen.

Gibt es weder einen Ehegatten noch Erben, kann der Erblasser über den gesamten Nachlass frei verfügen. Außerdem kann der Erblasser seinen Nachlass ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Bestimmungen regeln, sofern er die Zustimmung der künftigen Erben hat. Letztere können dann ganz oder teilweise auf ihre Rechte verzichten, auch wenn sie sich Rechte vorbehalten haben. In diesem Fall kann ein Erbvertrag die Aufhebung von Erbvorbehalten vorsehen – ein Testament hingegen nicht.

Erbschaft: Was ist mit dem Vermögen?

Immobilien sind Bestandteil des Nachlasses und unterliegen daher demselben schweizerischen Erbrecht. In Ermangelung eines Erbvertrags oder eines Testaments erhalten die gesetzlichen Erben (in der Reihenfolge ihrer Verwandtschaft) jeweils einen Anteil an der betreffenden Immobilie oder gleichwertige Teile der gesamten Immobilie entsprechend ihren jeweiligen Anteilen. Der Erblasser kann jedoch eine andere Verteilung innerhalb der Grenzen der Erbschaftsreserve vorsehen.

Wenn der Wert einer Immobilie zu hoch ist, um in einem einzigen Los aufgeteilt zu werden, oder wenn die Immobilie einen großen Teil des Nachlasses ausmacht und mehrere Erben beteiligt sind, ist es unumgänglich, sie zu verkaufen und den Erlös zu teilen. Der Erblasser kann dieses Hindernis jedoch umgehen, indem er die Regeln für die Aufteilung der Immobilie im Voraus festlegt: Er kann dann wählen, ob er die Immobilie(n) einem einzelnen Erben vermacht oder ob er sie gemeinsam vererbt.

Ein wichtiges Detail: Nach Schweizer Erbrecht sind direkte Erben in der Regel von der Erbschaftssteuer befreit. Diese Regelung ist ein Anreiz, in Immobilien zu investieren, da die Verwandten (Ehepartner und/oder Kinder) kein Geld zahlen müssen, um das Familienvermögen zu behalten. Der Steuersatz variiert je nach Verwandtschaftsgrad und den kantonalen Berechnungsvorschriften, wobei der Höchstsatz für Dritte 54,6 % beträgt.

Wie funktioniert das Schweizer Erbrecht für Nichtansässige?

Was geschieht, wenn der Verstorbene nicht in der Schweiz gelebt hat? Das schweizerische Erbrecht sieht vor, dass das Recht des Landes gilt, in dem der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz hatte, z. B. das französische Recht, wenn der Verstorbene in Frankreich lebte. Dies gilt für alle Länder, in denen die Europäische Erbrechtsverordnung gilt.

Dieses Recht gilt für alle zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, einschließlich Immobilien, unabhängig von ihrer geografischen Lage… außer in besonderen Fällen. In einigen Ländern, z. B. in Frankreich, gilt das Zivilrecht des Ortes, an dem sich die Immobilie befindet, als vorrangig. Das bedeutet, dass unter Umständen zwei verschiedene Gesetze gelten: dasjenige, das für die Immobilie gilt, und dasjenige, das für den Rest des Nachlasses gilt.

Allerdings haben nicht alle Länder diesen Grundsatz übernommen, an dem die Schweizerische Eidgenossenschaft festhält. Gegebenenfalls sind die schweizerischen Justiz- oder Verwaltungsbehörden (die des Kantons, in dem der Verstorbene geboren wurde) subsidiär zuständig, wenn sich der Wohnsitzstaat nicht um den Nachlass kümmert. Außerdem kann ein gebietsfremder Schweizer beschließen, den Behörden seines Kantons seinen gesamten Nachlass oder den Teil, der sich in der Schweiz befindet, durch ein Testament oder einen Erbvertrag zu übertragen.

Wie Sie sehen, sind internationale Erbschaften komplexer und unterliegen nicht unbedingt dem Schweizer Erbrecht. Es ist daher besser, die Dienste eines Notars in Anspruch zu nehmen.

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